Claude Debussys Sinfonische Dichtung "La Mer" gespielt vom WDR Sinfonieorchester unter der Leitung von Marie Jacquot. Live aufgenommen am 02.12.2022 in der Kölner Philharmonie.
Claude Debussy - La Mer
00:00:00 I. De l'aube à midi sur la mer
00:08:37 II. Jeux de vagues
00:15:54 III. Dialouge du vent et de la mer
WDR Sinfonieorchester
Marie Jacquot Leitung
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Werkeinführung:
Buhrufe und Pfiffe, die sich in den verhaltenen Applaus mischen: Das ist die Reaktion des Pariser Publikums auf die Uraufführung von Claude Debussys sinfonischen Skizzen "La Mer" am 15. Oktober 1905. War es ein Abstrafen der von Debussy gewählten Lebensumstände? Denn einigermaßen skandalträchtig hatte er sich von seiner Ehefrau getrennt und sich der Bankiersgattin und Sängerin Emma Bardac zugewandt. In seiner Komposition zeichnet er eher objektive Klangskizzen von drei verschiedenen Meeresstimmungen: "De l’aube à midi sur la mer" (Von der Morgenröte bis zum Mittag auf dem Meer), "Jeux de vagues" (Spiel der Wellen) und "Dialogue du vent et de la mer" (Zwiegespräch von Wind und Meer). Warum Debussy, der Herkunft nach ein "Landei", später überzeugter Städter, ausgerechnet dieses Sujet wählte, verriet er seinem Kollegen André Messager: "Sie wussten vielleicht nicht, dass ich für die schöne Laufbahn eines Matrosen ausersehen war und dass nur die Zufälle des Daseins mich auf eine andere Bahn geführt haben. Nichtsdestoweniger habe ich mir für die See eine aufrichtige Leidenschaft bewahrt."
Wie häufig in Kompositionsprozessen, veränderte sich Debussys Aussageabsicht – was sich an ursprünglich deutlich konkreteren Satztiteln ablesen lässt. Inmitten der Arbeit sollte der erste Satz heißen: "Mer belle aux îles sanguinaires" (Ruhige See vor den Îles Sanguinaires). Und für den dritten Satz war vorgesehen: "Le vent fait danser la mer" (Der Wind lässt das Meer tanzen).
Mit der Komposition begann Debussy in der Bourgogne, weit entfernt von Wellen und Gischt. "Nun werden Sie sagen, dass die Weinberge der Bourgogne nicht gerade vom Ozean umspült werden! Und dass das Ganze wohl den im Atelier gemalten Landschaften gleichen könnte! Aber ich habe unzählige Erinnerungen; das ist meiner Meinung nach besser als eine Realität, deren Charme im Allgemeinen die Gedanken zu sehr belastet." Hier spielt Debussy auf die Gewohnheit der impressionistischen Maler an, nicht im Atelier, sondern in der freien Natur zu malen. Genau dieses Unmittelbare war ihm generell für seine eigene Kunst äußerst wichtig. Wie Debussy es selbst formulierte: in "geheimnisvoller Übereinstimmung von Natur und Imagination".
Text: Otto Hagedorn
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