"Wir können das Gefechtsfeuer hören." Ahmed Zia berichtet, dass Taliban vor einigen Tagen in sein Viertel Karbas eingedrungen seien und sich dort in Häusern und Geschäften versteckt halten würden. "Wir haben das Gebiet vollständig geräumt. Wir haben nichts mehr und wir wissen nicht, wohin wir gehen sollen." So wie Zia in der westafghanischen Stadt Herat geht es derzeit zehntausenden Afghanen im ganzen Land. Sie müssen vor den vorrückenden Taliban flüchten, wissen aber nicht wohin.
Abdullah, der aus demselben Viertel in Herat kommt, spricht von "acht oder neun Taliban auf dem Dach unseres Hauses". Die Islamisten seien in sein Haus gestürmt und hätten ihm und seiner Familie befohlen, das Haus zu verlassen.
Seine größte Sorge ist, dass die afghanische Armee die Taliban entdecken und sein Haus aus der Luft bombardieren könnte. "Wenn die Sicherheitskräfte angreifen, wird alles zerstört. Wohin sollen wir dann gehen?"
Die Einwohner von Herat, einer Großstadt mit über 500.000 Einwohnern nicht weit von der iranischen Grenze, wurden schon am Freitag per Lautsprecher und Radio zum Verlassen der Stadt aufgerufen. Viele Menschen machten sich auf die Flulcht - in Bussen, Autos oder zu Fuß. Doch das große Problem ist für alle: wohin? Denn die Taliban rücken in allen Landesteilen Afghanistans vor und nehmen eine Provinzhauptstadt nach der anderen ein.
Hunderttausende sind auf der Flucht, seit die Kämpfe zwischen den radikalislamischen Taliban und der Regierungsarmee infolge des im Mai begonnenen internationalen Truppenabzugs eskalierten. Eine Reihe von Provinzhauptstädten sind von den Taliban umzingelt, sechs haben sie bereits erobert.
Eine Taliban-Taktik scheint darin zu bestehen, zunächst die Außenbezirke der Städte zu infiltrieren. Von dort aus starten sie dann Angriffe auf strategisch wichtige Positionen und Einrichtungen wie Polizeiwachen und Regierungsgebäude.
Den schlecht ausgebildeten afghanischen Soldaten fehlen der Kampfgeist und die Ausrüstung, um sich den Taliban zu widersetzen. Die Armee schickt nun Elite-Einheiten, um besonders wichtige Zentren zu verteidigen - in der Hoffnung, das Blatt so wenden zu können. Dazu müssen die Taliban mit Luftangriffen oder Artillerie vertrieben werden. Und vorher müssen die Zivilisten die betroffenen Stadtviertel verlassen.
Das ist besonders in solchen Gebieten nicht einfach, die schon voller Flüchtlinge sind. Allein nach Kandahar, Großstadt im Süden des Landes, kamen im vergangenen Monat über 150.000 Flüchtlinge. Der Krieg steht nun auch dort vor der Haustüre.
"Ich war zu Hause, als die Taliban kamen und zu mir sagten: 'Wir kämpfen hier, ob du in deinem Haus bleibst oder nicht'", erzählt ein Mann in Herat. "Unsere ganze Familie ist geflohen." Eine Hälfte der Familie sei andernorts in der Stadt untergekommen, die andere Hälfte in einer Stadt in der Nähe. Verzweifelt fügt er hinzu: "Das ist unsere Lage und das Elend ist groß."
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