Der Austausch von Kotflügeln oder Scheinwerfern ist in Deutschland teurer als in anderen EU-Ländern. Grund ist der Designschutz.
• Wenn es sich um sichtbare Teile am Auto handelte, durfte der Handel bislang nur Originalersatzteile vertreiben.
• Ab 2021 gilt eine sogenannte Reparaturklausel.
• Bei Reparaturen dürfen dann baugleiche Modelle verwendet werden. Aber nur für Teile, für die nicht vor Inkrafttreten des Gesetzes ein Designschutz angemeldet wurde.
• In EU-Ländern, in denen der Designschutz hier keine Rolle spielt, sind Karosserieteile bis zu 40 Prozent günstiger.
Sichtbare Teile wie Stoßfänger, Kotflügel, Heckleuchten oder Scheinwerfer dürfen in Deutschland nur vertrieben werden, wenn sie von den Original-Herstellern stammen. Denn diese haben für solche Kfz-Elemente in der Regel Designrechte angemeldet, damit Konkurrenten die Optik ihrer Fahrzeuge nicht einfach kopieren können.
Designschutz verteuert Reparaturen
Diese Designrechte behindern den Vertrieb als reine Ersatzteile. Jürgen Rabsilber ist Geschäftsführer der der Van Wezel GmbH, die in Deutschland Kfz-Ersatzteile verkauft.
Sein Lager befindet sich allerdings in Belgien. "Wir haben in Deutschland keine Rechtssicherheit, diese Teile zu lagern. Von Kollegen mit Lager in Deutschland weiß ich, dass dort auch schon eine Beschlagnahme stattgefunden hat", erklärt Rabsilber.
Damit nutzt er eine rechtliche Grauzone, um preiswertere Ersatzteile anbieten zu können, die nicht vom Original-Hersteller stammen.
Preisunterschiede von über 60 Prozent
Wir machen den Praxistest. Bei einem Vertragshändler kostete der Außenspiegel für einen Golf VI – ein Set aus drei Teilen – 281 Euro. In einem Auto-Ersatzteilegeschäft in Leipzig bekamen wir für das gleiche Modell einen Außenspiegel für 89,25 Euro.
Das Produkt war damit 68 Prozent günstiger. Auch dies ist eine rechtliche Grauzone.
Denn die Automobilindustrie hat sich bisher nur freiwillig verpflichtet, bestimmte Händler und Hersteller von sichtbaren Kfz-Ersatzteilen zu dulden.
Auch weitere Vergleichskäufe bestätigten, dass gleichwertige Produkte im Handel wesentlich günstiger zu haben sind.
Neue Reparaturklausel von Automobilindustrie kritisiert
Anfang 2021 wird der Designschutz reformiert durch eine Reparaturklausel. Damit können baugleiche Ersatzteile an sichtbaren Stellen des Autos bei Reparaturarbeiten eingesetzt werden. Über das Gesetz wurde monatelang debattiert. Bereits im Mai 2019 hatte das Bundesministerium den Gesetzentwurf vorgelegt.
Kurt-Christian Scheel, Geschäftsführer des Verbandes der Automobilindustrie, lehnte schon letztes Jahr jegliche Änderungen beim Designrecht ab. "Wir wollen vom Design her anspruchsvolle Fahrzeuge bauen. Wir investieren viel Geld in solche Maßnahmen, die nicht mehr refinanziert werden können, wenn diese Regelung so käme, wie die Bundesregierung beschlossen hat", kritisiert Scheel.
Und es geht um viel Geld: Zwischen 2013 und 2019 sind die Preise für sichtbare Original-Ersatzteile um 29 Prozent gestiegen, für Rückleuchten sogar um 53 Prozent.
Der Widerstand der Automobilindustrie kommt für Verbraucherschützer daher nicht überraschend.
Der "Aftersales-Market" ist eine wichtige Einnahmequelle geworden. Wenn es jetzt hier einen größeren Wettbewerb gäbe, "würde das auch ganz erhebliche finanzielle Einbußen bedeuten", schätzt Elke Salzmann vom Bundesverband der Verbraucherzentralen ein.
Halbherzige Gesetzesneuregelung?
Der Bundestag hat im September 2020 mit dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs den Weg freigemacht, die Reparaturklausel 2021 auch in Deutschland zur Anwendung zu bringen. Hartmut Röhl vom Gesamtverband der Autoersatzteilehändler begrüßt, dass damit der Designschutz in Deutschland fällt. In Ländern, in denen das bereits Praxis ist, seien Karosserieteile deutlich günstiger: "Die Preise sind bis zu 30 und 40 Prozent niedriger am Markt für den Verbraucher als in den Ländern, wo ein Schutz besteht".
Doch am Preisgefüge in Deutschland dürfte sich noch viele Jahre nichts ändern. Denn die geplante Reparaturklausel gilt nicht für Designrechte, die vor Inkrafttreten des Gesetzes angemeldet wurden. Hier gilt ein Bestandsschutz von 25 Jahren. Die grüne Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner sieht darin "ein Einknicken vor der Industrie".
Hartmut Röhl setzt jetzt auf die Europäische Union. Bisherige Entwürfe der EU zur Einführung einer Reparaturklausel hätten keinen Bestandsschutz vorgesehen: "Das ist das, was mich optimistisch stimmt". Die Europäische Kommission hat das Designrecht weiter im Blick. Der letzte Versuch einer Harmonisierung scheiterte 2014 – vor allem an Frankreich und Deutschland. (Quelle: plusminus)
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