UKRAINE-KRIEG: "Auf dem Schlachtfeld erleben wir gerade einen Wendepunkt!" Brutale Kämpfe im Donbass
Seit nunmehr 100 Tagen tobt an diesem Freitag der von Russland entfesselte Angriffskrieg in der Ukraine. Dabei wehren sich ukrainische Truppen weiter gegen den Verlust der Großstadt Sjewjerodonezk im Osten, in der russische Truppen mit ihrer überlegenen Feuerkraft vorrücken. Die Stadt solle möglichst nicht aufgegeben werden, sagte Vize-Generalstabschef Olexij Hromow am Donnerstag in Kiew.
Präsident Wolodymyr Selenskyj zog bei mehreren Auftritten eine Art Bilanz des Krieges seit dem 24. Februar. Bei den Kämpfen im Osten würden täglich bis zu 100 ukrainische Soldaten getötet, sagte er in einer Videoschalte bei einer Sicherheitskonferenz in der slowakischen Hauptstadt Bratislava. «Und ein paar Hundert Menschen – 450, 500 Menschen - werden verletzt jeden Tag.» Ein Fünftel des ukrainischen Staatsgebietes sei derzeit von Russland besetzt, sagte er in einer Schalte in das luxemburgische Parlament. Er dankte ausländischen Partnern für Waffenlieferungen.
Kremlchef Wladimir Putin hatte das Nachbarland angreifen lassen, um dessen Nato-Ambitionen zu stoppen. Die russische Kriegspropaganda behauptet, die Ukraine werde von Neonazis geführt, russischsprachige Menschen würden dort unterdrückt. Als ein Ziel wird immer wieder die komplette Eroberung der ostukrainischen Gebiete Luhansk und Donezk, des sogenannten Donbass, genannt. Das ist bisher nicht gelungen.
Die EU will am 100. Kriegstag ihr sechstes Sanktionspaket gegen Russland mit einem Öl-Embargo förmlich beschließen.
Schlacht um die östliche Großstadt Sjewjerodonezk
Trotz heftiger russischer Angriffe will sich die ukrainische Armee in dem Verwaltungszentrum Sjewjerodonezk nicht geschlagen geben. «Die Lage ist schwierig, aber sie ist besser als gestern. Und sie ist unter Kontrolle», sagte Vizegeneralstabschef Hromow am Donnerstag. Zuvor hatten ukrainischen Behörden mitgeteilt, die Großstadt sei größtenteils unter Kontrolle russischer Truppen.
Es gebe sehr blutige Straßenkämpfe in der Stadt, sagte Hromow. Sjewjerodonezk gilt als letzte ukrainische Hochburg in der Region Luhansk. Prorussische Truppen und das russische Militär stehen dort nach eigenen Angaben kurz vor der Machtübernahme. Der ukrainische Verwaltungschef von Luhansk, Serhij Hajdaj, berichtete aber ebenfalls von erfolgreichen Kommandoaktionen der Verteidiger in der Stadt. Präsidentenberater Olexij Arestowytsch sprach sogar davon, die ukrainische Armee habe die Russen in Sjewjerodonezk in eine Falle gelockt. Überprüfbar waren diese Angaben nicht.
Nach Berichten beider Seiten haben sich Zivilisten in Bunkern unter der Chemiefabrik Asot (Stickstoff) in der Stadt versteckt, Hajdaj sprach von etwa 800 Menschen. «Das sind Einheimische, die gebeten wurden, die Stadt zu verlassen, die sich aber geweigert haben. Auch Kinder sind dort, aber nicht sehr viele», sagte er dem US-Sender CNN. In der Hafenstadt Mariupol hatten ukrainische Soldaten und Zivilisten wochenlang in Bunkern unter dem Stahlwerk Azovstal ausgeharrt.
Die Bilanz zum 100. Kriegstag
Die russischen Truppen seien in 3620 Ortschaften der Ukraine einmarschiert, 1017 davon seien wieder befreit worden, sagte Selenskyj. «Weitere 2603 werden noch befreit werden.» Zwölf Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer seien im Land auf der Flucht; fünf Millionen im Ausland. Russland habe über 30 000 Soldaten verloren, behauptete Selenskyj. Auch westliche Experten vermuten zwar schwere russische Verluste, halten die Kiewer Zahlen aber für zu hoch.
«Unser Widerstand ist nach all den Monaten ungebrochen. Der Feind hat seine selbstgesteckten Ziele nicht erreicht», sagte die Vizeverteidigungsministerin Hanna Maljar. «Wir sind bereit für einen Langzeitkrieg.» Sie lobte, dass die «Dynamik der Waffenlieferungen» aus dem Westen an Fahrt aufnehme. Aus Sicherheitsgründen machte sie keine Angaben zum Zeitpunkt und Ort der Lieferungen. Die Ukraine will mit den schweren Waffen unter anderem aus den USA und aus Deutschland den Vormarsch der russischen Truppen aufhalten und besetzte Städte befreien. Selenskyj dankte vor allem für die Zusage der USA, hochmoderne Mehrfachraketenwerfer vom Typ Himars zu schicken.
#ukraine #russland #krieg
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