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Menschen haben in der Regel fünf Finger an der Hand und fünf Zehen an jedem Fuß.
Das ist seit Millionen Jahren so, also auch bei unseren Vorfahren.
Überhaupt die meisten Vierfüßer (Tetrapoden) besitzen fünfstrahlige Extremitäten. Zwar kam es im Verlauf der Evolution einiger Tetrapoden-Gruppen zu einer Reduktion der Zehen- und/oder Fingerzahl, doch ist die ursprünglich fünfstrahlige Tetrapoden-Extremität eine Apomorphie der Tetrapoden. Die Frage, die bleibt: warum kam es zu den fünfstrahligen Extremitäten bei Tetrapoden?
Darauf hat die Evolutionsbiologie noch keine schlüssige Antwort. Evolutionsbiologen brauchen auch noch Herausforderungen für die Zukunft, sonst ginge uns ja die Arbeit aus. Es muss aber selektive Gründe dafür geben, dass die Fünffingrigkeit oder Pentadaktylie in der Evolutionsgeschichte so außergewöhnlich oft vorkommt und über viele Epochen hinweg so stabil ist. Das ist umso erstaunlicher, als das kleinste Säugetier, die Schweinsnasenfledermaus, und die größten, wie Elefanten, den prinzipiell gleichen Aufbau der gesamten Extremität und der Anzahl Zehen haben.
Nun ist das aber etwa bei uns Menschen nicht immer so. Es gibt Menschen und Tiere
mit sechs oder auch mit acht Fingern an den Händen und mit ebenso vielen Zehen.
Der Weltrekord liegt derzeit wohl bei 31 Fingern und Zehen. Dieses angeborene und vererbbare Merkmal nennt der Fachmann Polydaktylie oder Mehrfingrigkeit.
Was hat das aber mit Evolution zu tun?
In diesem Video gehen wir dem Geheimnis der Polydaktylie und ihrer Bedeutung für die Evolution nach. Dafür stellen wir die Arbeiten des Evo-Devo-Forschers und Mitglied der AG Evolutionsbiologie, Axel Lange, vor. Am Beispiel einer phänotypischen Variation in Form zusätzlicher Finger oder Zehen wird gezeigt, auf welche Weise die evolutionäre Entwicklung derart komplexe Merkmale vererbbar herstellt, und welche Konsequenzen mit neuen Inhalten für die Evolutionstheorie (sog. Erweiterte Synthese) gezogen werden können.
Folgerungen für eine Erweiterte Synthese der Evolutionstheorie
Der Entstehungsprozess einer komplexen Variation wie einem oder mehrere zusätzliche Finger oder Zehen (Polydaktylie) kann mit Evo-Devo-Mechanismen erklärt werden.
Es gibt intrinsische, also in der (evolutionären) Entwicklung evolvierte Konstruktionsprinzipien, die in der Synthetischen Theorie noch nicht bekannt waren. Sie liefern neue theoretische Inhalte zur Evolution.
Diskontinuierliche Veränderung ist möglich und vererbbar.
Die Anzahl der zusätzlichen Finger ist variabel und gehorcht einer statistischen Zufallsverteilung mit einer Variationstendenz (bias). Das heißt: Trotz der immer gleichen genetischen Mutation entstehen unterschiedliche Zehenzahlen, von denen einige wahrscheinlicher sind als andere. Das ist ebenfalls eine neue Aussage in der Evolutionstheorie, die auch durch andere Studien gestützt wird.
Es ist unter solchen Rahmenbedingungen nicht erforderlich, dass die natürliche Selektion jeden marginalen, also kleinsten Schritt prüft, bis wieder der nächste kleine Schritt erfolgt und neuerlich selektiert werden müsste. Häufige additive Mutationen sind ebenfalls nicht erforderlich.
Einfache Variationsprozesse, die zu komplexen Veränderungen des Phänotyps führen, erleichtern bzw. erklären konvergente Entstehungsprozesse (Parallelbildungen). Evolutionäre Veränderung kann auf diese Weise schneller erfolgen als ursprünglich gedacht.
Quellen
LANGE A., NEMESCHKAL H.L., MÜLLER G. B. (2014). Biased polyphenism in polydactylous cats carrying a single point mutation: the Hemingway model for digit novelty. Evolutionary Biology 41:262–275. doi:10.86./690841.
LANGE, A., MÜLLER, G.B. (2017). Polydactyly in development, inheritance, and evolution. Q. Rev. Biol. 92, 1–38. DOI: org/10.1086/690841.
LANGE A., NEMESCHKAL H.L., MÜLLER G. B. (2018) A threshold model for polydactyly. Progress in Biophysics and Molecular Biology 137.
doi:10.1016/j.pbiomolbio.2018.04.007.
Leseempfehlungen
LANGE A. (2020) Evolutionstheorie im Wandel. Ist Darwin überholt? Springer, Heidelberg.
Extremitätenentwicklung (Wikipedia):
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Extremitätenevolution (Wikipedia):
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Polydaktylie (Wikipedia):
[ Ссылка ]
Wissenschaftsgeschichte der Polydaktylie:
[ Ссылка ]
Schwellenwerteffekt (Entwicklung):
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Homepage: [ Ссылка ]
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Evolutionäre Entwicklungsbiologie und Polydaktylie
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