Mit diesem Film möchten wir das (post-)koloniale Erbe Berlins sichtbar machen und einen Beitrag gegen das Vergessen und Verdrängen leisten. Wir haben uns ganz bewusst für das Medium Film entschieden, da wir uns so erhoffen, möglichst viele unterschiedliche Menschen zu erreichen – vor allem auch außerhalb dessen, was man als „akademische Blase“ bezeichnen kann.
Unser Thema ist das Afrikanische Viertel in Berlin-Wedding. Viele, mit denen wir gesprochen haben, dachten, das Viertel habe diesen Namen, weil hier viele Afrikaner*innen bzw. afrikanisch gelesene Menschen leben. Auch wir selbst wussten nicht genau, was der Hintergrund des Namens sowie der Straßennamen ist.
Um der Frage nachzugehen, wie das Viertel und seine Straßen zu ihren Namen kamen, haben wir uns für ein Experten-Interview entschieden.
Mnyaka Sururu Mboro kam 1978 aus Tansania zum Studium nach Deutschland und blieb dann in Berlin, wo er seitdem lebt. Er ist Vorstandsmitglied und Mitbegründer von Berlin Postkolonial e.V. und engagiert sich seit Jahrzehnten für eine kritische Auseinandersetzung mit dem deutschen Kolonialismus. Im Gespräch mit ihm stellte sich heraus, dass das Afrikanische Viertel durch die Benennung der Straßen und Plätze in vielerlei Hinsicht die deutsche Kolonialgeschichte widerspiegelt.
Unsere Auswahl des Experten ist kein Zufall. Sie folgt vielmehr der Bestrebung nach einer wahrhaft globalen postkolonialen Perspektive. Bereits Edward Said hatte in "Orientalism" kritisiert, dass es immer nur weiße Sprecher seien, die über "den Anderen" sprechen, "der Andere" selbst jedoch immer stumm bleibe (Said 1978). Diesen Faden greifen die in den 1980er-Jahren aufkommenden Subaltern Studies auf. Um den indischen Historiker Ranajit Guha formierten sich Wissenschaftler*innen, die versuchten, der kulturellen Hegemonie der weißen Kolonialherren die Geschichte der Kolonisierten entgegenzusetzen. Später machten sie sich auch die Theorien des französischen Philosophen Michel Foucault und des Poststrukturalismus zu eigen (vgl. Metzler 2018). Dessen Anhänger vertreten die Ansicht, Sprache müsse nicht unbedingt die objektive Realität beschreiben, sondern könne bewusst oder unbewusst Unterscheidungen und Hierarchien ausdrücken und damit gleichzeitig
herstellen (ebd.).
Die Subaltern Studies kritisieren nicht nur, dass Schwarze Menschen und People of Color lange Zeit an die Ränder der Geschichtsschreibung gedrängt und der vermeintlichen Handlungsmacht weißer Menschen untergeordnet worden waren, sondern nehmen auch, wie etwa die indienstämmige Literaturtheoretikerin Gayatri Chakravorty Spivak die Formen der Wissensproduktion und Theoriebildung grundsätzlich ins Visier. In ihrem einflussreichen Aufsatz "Can The Subaltern Speak?" von 1988 leuchtete Spivak den Eurozentrismus auch kritischer Theorien scharf aus und kritisierte, dass viele westliche Theorien am Ende doch nur westliche Positionen sei, aus der heraus beansprucht würde, für die "Subalternen" (Spivaks Bezeichnung für die Kolonisierten) zu sprechen – anstatt sie selbst zu Wort kommen zu lassen (Spivak 1988). Deren Wissen, so argumentiert Spivak, werde marginalisiert, weil es nicht als Wissen anerkannt sei.
Mit unserem Film wollen wir das durchbrechen – und haben uns ganz bewusst dagegen entschieden, selbst vor die Kamera zu treten oder aus dem Off zu sprechen. Vielmehr lassen wir Herrn Mboro seine Erfahrungen und sein Wissen über das Afrikanische Viertel mit den Zuschauer*innen teilen. Seinen Ausführungen folgend haben wir das Bildmaterial zusammengestellt. Somit schafft der Film einen Raum, in dem der Experte Her Mboro sein Wissen bereitstellen kann. Trotzdem ist uns bewusst, dass auch unsere Perspektive durch die notwendige Auswahl seiner Aussagen und den Schnitt miteingeflossen ist. Wir gehen aber ohnehin davon aus, dass Objektivität in einem reinen Sinne, wie sie als Leitbild westlicher Wissenschaft herhalten muss, nicht existiert, und es daher wichtig ist, klarzustellen, aus welcher Perspektive gesprochen und erzählt wird.
Auf den Einsatz von musikalischer Untermalung haben wir bewusst verzichtet, da die Inhalte für sich stehen und künstlich erzeugte Emotionen vermieden werden sollen.
Literatur:
Chakravortry, Gayatri. Spivak. Can the subaltern speak?. Harvard University Press, 1999.
Metzler, Gabriel. Kultureller Wandel und hybride Identitäten. Bundeszentrale für politische Bildung 2018.
Said, Edward W. Orientalism: Western conceptions of the Orient. 1978. Harmondsworth, Eng.: Penguin, 1995, 115. Jg.
Ещё видео!