Clinton und Jelzin luden Streit über Friedenstruppe für Bosnien bei Verteidigungsministern ab
Als hätten sie soeben aller Welt einen tollen Streich gespielt, traten Boris Jelzin und Bill Clinton nach einem vierstündigen Arbeitstreffen in bester Laune vor die Journalisten - und amüsierten sich köstlich über sie. Es habe vor dieser Begegnung in den Medien wieder einmal düstere Prognosen einer "Katastrophe" gegeben, meinte der russische Präsident und setzte, an die Presseleute gewandt, zum rhetorischen Kinnhaken an: "Nun, jetzt kann ich Ihnen zum erstenmal sagen, daß Sie eine Katastrophe sind."
Bill Clinton fand den Punch so gelungen, daß er sich vor Lachen krümmte, sich an der Schulter Jelzins festhielt und die Freudestränen kaum zurückhalten konnte. "Sie können sicher sein, daß Sie da die richtige Charakterisierung bekommen haben", ließ er der russischen Rechten noch eine amerikanische Linke gegen die geschmähte Journalisten-Meute folgen.
Die Präsidenten Rußlands und Amerikas, wohl die mächtigsten Männer der Erde, hatten offenkundig beschlossen, sich diesen herrlichen Herbsttag an der Geburts- und Grabesstätte des einstigen Präsidenten Franklin D. Roosevelt in Hyde Park im Staat New York durch keinen Streit zu trüben. Und so lud man den Konflikt über die Kommandostruktur einer künftigen Bosnien-Friedenstruppe, der die Presse zu sehr gedämpften Erwartungen an dieses Treffen veranlaßt hatte, einfach auf die Schultern der Verteidigungsminister, die sich am Freitag in Washington damit beschäftigen dürfen.
Mit entwaffnender Schlichtheit verkündete Boris Jelzin ein Ergebnis, das längst vor diesem Treffen feststand, und machte darüber hinaus klar, daß es nicht sein Job und der seines Freundes Bill sei, sich mit lästigen Details abzugeben: "Wir sind heute übereingekommen, daß russische Streitkräfte an diesen Operationen teilnehmen werden. Aber wie sie das tun werden, ist die Sache der Militärs. Das ist keine Frage für uns beide Präsidenten. Wir haben unsere Aufgabe erfüllt." Und die umstrittene Osterweiterung der Nato wurde an diesem harmonischen Tag gar nicht erst richtig angeschnitten.
Washington, so berichteten US-Beamte nach dem Gespräch, beharre darauf, daß die Bosnien-Truppe unter einem Nato-Kommando operieren werde. Moskau, so hatte Jelzin am Vortag vor der Generalversammlung betont, fordere dagegen ein klares UNO-Mandat für den Einsatz.
"Wir planen hier den Frieden, nicht Krieg", hatte Jelzin gesagt, als er neben Clinton auf einem jener hölzernen Sessel saß, auf denen zu Weltkriegszeiten einmal Franklin D. Roosevelt und der britische Premier Winston Churchill gesessen und über Kriegsstrategien gesprochen hatten. Und Clinton, der zugab, "ein sehr, sehr hartes Treffen" erwartet zu haben, stellte nachher erleichtert fest, es sei gut und produktiv gewesen und habe "die Stabilität und Stärke der Partnerschaft" zwischen beiden Ländern unterstrichen. Als wichtigen Pluspunkt verbuchte Clinton das beiderseitige Bekenntnis, gemeinsam an einem weltweiten Atomwaffenteststopp zu arbeiten.
Der Gastgeber hatte Jelzin Roosevelts "Kamin-Gespräche" in russischer Übersetzung zum Geschenk gemacht und in der Widmung dieses "achte" Treffen beider Staatsmänner erwähnt. Der Buchführung des Weißen Hauses muß dabei eine Begegnung der beiden entgangen sein, denn tatsächlich war es das neunte Treffen Clintons und Jelzins. Es könnte als Randerscheinung des UNO-Jubiläums, als Herbstvergnügen zweier Präsidenten oder als Lehrstück über die Vermeidung sichtbarer Konflikte in die Geschichte eingehen.
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