Osmo Vänskä, geborener Finne und langjähriger Chef des Minnesota Orchestra, ist in diesem Konzert durchweg in seinem Element. Der ausgewiesene Spezialist für nordisches und modernes Repertoire stellt zwei gegensätzlichen Zentralfiguren der amerikanischen Kunstmusik die Vierte Symphonie von Sibelius, seiner harmonisch kühnsten, gegenüber.
Ein Werk Samuel Barbers aufzuführen, welches eben nicht das ›Adagio for Strings‹ ist, kann in europäischen Konzertsälen nur begrüßt werden – noch immer überschattet das Einzelstück ein vielfältiges und gattungsreiches Œuvre, das in der Suche nach einer amerikanischen Klangsprache Anspruch auf Originalität erheben kann. Barbers Musik folgt dem Weg einer verständlichen Sprache mit emotionaler Ausdruckskraft, die in großbesetzten Werken durch einen satten Orchesterklang sowie klar geführte und ausladende Melodielinien realisiert wird. In seiner Ersten Symphonie vereint er die vier Formteile der klassischen Gattung zu einem einheitlichen Ganzen, das von drei exponierten Themen zusammengehalten wird. Als erste amerikanische Komposition überhaupt erklang sie 1937, ein Jahr nach ihrer Uraufführung in Rom, bei den Salzburger Festspielen unter der Leitung von Artur Rodziński.
Einen spezifisch amerikanischen Klang in der Kunstmusik zu verwirklichen war auch das Anliegen von Aaron Copland. Dafür griff er auf den Jazz zurück, den er in seinem Klarinettenkonzert formvollendet mit der klassischen Gattung amalgamierte. Auf den lyrisch-sinnlichen ersten Satz folgt der lebhafte zweite, verbunden durch eine exakt ausnotierte, virtuose Solokadenz. Das Konzert entstand zwischen 1947 und 1949 für den legendären Jazz-Klarinettisten und Bandleader Benny Goodman, der mit der Uraufführung aufgrund des technischen Anspruchs lang gezögert hatte. Dieser Aufgabe stellt sich im DSO-Konzert mit dem Schweden Martin Fröst ein Musiker, der weltweit zu den herausragenden Interpreten seines Instruments gehört.
»Viele Pläne« notierte Sibelius 1909 mit der Absicht ins Tagebuch, seinem bisherigen Schaffen etwas noch nicht Dagewesenes hinzuzufügen. Die drei ersten Symphonien waren romantisch bis klassizistisch geprägte Gebilde. Mit der Vierten wollte er sich »seine Moderne« erfinden, was nach der Begegnung mit einigen Wortführern der musikalischen Avantgarde sicherlich nicht von ungefähr geschah. Von den früheren Triumphen ist in diesem Werk wenig zu spüren. Die Symphonie erscheint wie ein melancholisches Nichts und ist dennoch minutiös ausgearbeitet. Was bei der Uraufführung in Helsinki 1911 auf Befremden stieß, zählt heute zu den großartigsten Schöpfungen des Komponisten.
19.05.2019 | 20 Uhr | Philharmonie Berlin
Samuel Barber Symphonie Nr. 1
Aaron Copland Klarinettenkonzert
Jean Sibelius Symphonie Nr. 4 a-Moll
OSMO VÄNSKÄ
Martin Fröst Klarinette
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
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