Immer mehr Menschen in Deutschland haben Demenz. Das liegt daran, dass unsere Gesellschaft älter wird. Schätzungsweise 2,8 Millionen Menschen sind in den nächsten Jahrzehnten betroffen. Eine Diagnose ist immer lebensverändernd. Auch eine 64-jährige aus Hennef hat die hinter sich und geht heute offen mit ihrer Krankheit um.
Lilo, so wird sie von allen genannt, sitzt an dem verregneten Septembermorgen am Frühstückstisch. Sie spricht viel und hat einen scharfsinnigen Humor. Sie erzählt davon, dass sie keinen Kaffee kochen kann und dass sie nie viel frühstückt. Ab und zu schaut sie im Gespräch aus dem Fenster. In diesen Momenten wirkt sie gedankenverloren. Der Blick aus dem Fenster dient aber dazu, die Halluzinationen einzuordnen. Denn täglich begleiten sie Schäferhunde und Käfer im Augenwinkel, die eigentlich gar nicht da sind. Ein Symptom ihrer Lewy-Körperchen-Demenz.
Diese Form der Demenz wird ihr mit 57 diagnostiziert. Damals ist sie Geschäftsführerin eines IT-Unternehmens in Düsseldorf. Sie taucht gerne, segelt und reist auf der ganzen Welt herum. Insgesamt lebt sie ein Leben auf der „Überholspur“, wie sie sagt. Damals sind die ersten Halluzinationen aber schon da. Außerdem vergisst sie öfter Sachen und kann teilweise ihre eigene Arbeit nicht mehr verstehen. Ihre Kinder raten ihr zum Arzt zu gehen. Nach mehreren Untersuchungen kommt dann der Schock. Lilo hat Demenz.
Kurz danach wird sie aus dem Job entlassen. Wegen ihrer Krankheit sagt sie. „Diese Kombination von Diagnose mit dieser totalen Entwertung meiner Persönlichkeit war das Schlimmste,“ fasst sie die damalige Zeit zusammen. Sechs Monate in einer Therapieklinik helfen ihr, wieder auf die Beine zu kommen. Trotzdem gibt es danach kein Zurück mehr in den Job und sie muss Rente beantragen.
Seit diesem Jahr lebt Lilo zusammen mit ihrem Sohn und ihrem Bruder in einem Haus in Hennef. Hier ist sie damals aufgewachsen und jetzt nach dem Tod ihrer Mutter zurückgekehrt. Im Alltag bekommt sie Unterstützung von den beiden Mitbewohnern. So gehen Bruder und Sohn Einkaufen und fahren sie zu Terminen. Eine typische Situation in Deutschland, denn rund zwei Drittel der Menschen mit Demenz leben hierzulande in den eigenen vier Wänden. Das sei auch notwendig, sagt Professor René Thyrian vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen. Er forscht zur Versorgung von Menschen mit Demenz und sieht auch die Gesellschaft bei der Versorgung in der Pflicht. „Es ist nicht finanzierbar, dass alle Menschen mit Demenz in demenzspezifischen Pflegeheimen untergebracht werden.“
Die erwarteten Zahlen zu Demenzerkrankungen sind ernüchternd. Durch die alternde Gesellschaft werden 2050 bis zu 2,8 Millionen Menschen mit Demenz in Deutschland leben. Das schätzt die Deutsche Alzheimer Gesellschaft. Derzeit sind es 1,8 Millionen.
Lilos Wohnprojekt ist dabei sowas wie ein Abziehbild vieler Menschen mit Demenz. Wie ihre Zukunft hat sie sich das Konzept selbst überlegt, denn sie will nichts dem Zufall überlassen. So hat sie zum Beispiel mit ihren Kindern eine Betreuungsverfügung vereinbart, die für den Zeitpunkt gilt, wenn sich ihr Zustand stark verschlechtert. Dann dürfen die drei Kinder unter anderem über den Wohnort und die Finanzen bestimmen. Von der Zukunft will sich die 64-Jährige nicht ablenken lassen und versucht hier und heute zu leben – als Vorbild für die vielen anderen Menschen mit Demenz. Deswegen ist sie im Patientenbeirat des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen und arbeitet ehrenamtlich bei der Deutschen Alzheimergesellschaft. Aus diesen Aufgaben zieht sie ihre Kraft und will andere daran teilhaben lassen. „Lasst uns nicht darauf schauen, was alles nicht geht, denn das ist eine Menge tagtäglich, sondern lasst uns jeden Tag schauen, was geht.“
Ein Beitrag von Daniel Pfaender
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