Der Publizist und Pädagoge Gerhard Hahnloser erläutert im Gespräch mit Sabine Kebir verschiedene Facetten des umstrittenen Begriffs der Identitätspolitik. Gemeint ist die zugeschriebene oder selbstreferenzielle Fokussierung auf ein Hauptmerkmal einer gesellschaftlichen Gruppe, das sich meist auf religiöse Zugehörigkeit oder den ethnischen Hintergrund bezieht. Wie ist das historische und aktuelle Verhältnis linker Bewegungen zur Identitätspolitik?
Auf Gruppen bezogene Identitätspolitik kann diskriminierende Ziele verfolgen, sie kann neue Eliten fördern oder gegen Diskriminierungen ankämpfen. Im letzteren Sinne wird der Begriff heute meist gebraucht. Historisch wirksam sind aber auch die anderen, negativen Varianten. Ein Rückblick in die letzten Jahrzehnte zeigt, dass z.B. der zum Islamismus mutierende Islam einen totalitären Anspruch an die Gesamtgesellschaft hervorbringt – ein Beispiel, dass Identitätspolitik zu radikalen Ausgrenzungen führen kann. Nahe liegt, den Islamismus, aber auch den sich in vielen Weltteilen verstärkenden Nationalismus in der großen Welle der Restauration zu verorten, die die sozialistischen Bewegungen Ende der sechziger Jahre zum Stillstand brachten: Mit der Förderung von Gruppenidentitäten wurde der antikapitalistische Widerstand gespalten und auch gegeneinander ausgespielt. Als sozialpolitischer Ersatz für den Abbau des Sozialstaats wurde der Kommunitarismus propagiert, d. h. die soziale Daseinsvorsorge sollte innerhalb der idenditärer Gruppen geregelt werden.
Hansloser erinnert daran, dass der Marxismus das Ziel verfolgt, alle Schranken niederzuwerfen, in denen Menschen einander erniedrigen und ausbeuten – ungeachtet ihrer ethischen Herkunft und auch ihrer Religion. Freilich hat die Arbeiterbewegung dieses Ziel in der eigenen Bewegung nicht immer umgesetzt und gesellschaftlich diskriminierte Gruppen auch selber diskriminiert. So entstanden z. B. in der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung Spaltungen, in deren Verlauf identitätspolitisch argumentiert wurde, z. B. von schwarzen Arbeitern oder Frauen, gegen ein Programm, das die außergewerkschaftlich entstandenen Diskriminierungen ignorierte oder gar perpetuierte, anstatt sie nach innen und außen zu bekämpfen. Es ist aber auch darauf zu verweisen, dass etliche gesellschaftlich diskriminierte Gruppen wie z. B. viele Juden im 19. und 20. Jahrhundert gerade in der Arbeiterbewegung ihre eigene Emanzipationsperspektive sahen. Das ökonomisch-soziale Gesellschaftsbild des Marxismus basiert auf der Definition von Klassen, weshalb die Klassenidentitäten für den Marxismus die allen anderen übergeordneten Identitäten darstellen. Für linke Politik ist allerdings entscheidend, nicht auszublenden, dass die Klassenidentität des arbeitenden Menschen nicht seine einzige Identität ist, und auch andere Identitäten berücksichtigt werden müssen. Dieser Grundsatz gilt nicht nur innerhalb einer linken Organisation, sondern auch nach außen: um bündnisfähig zu sein für Menschen, die sich subjektiv keiner proletarischen Klassenidentität zurechnen, als arbeitende Menschen dieser aber objektiv angehören.
Diskutiert wird auch der Multi-Kulti-Begriff und weshalb deutsche Kultur darin fehlt. Der Versuch deutsche Identität` zu definieren führt unweigerlich zur Erkenntnis, dass sie überhaupt nicht zu fokussieren ist, sondern aus sehr vielen, zum Teil antagonistischen Elementen besteht. Genau das muss auch von anderen Identitäten angenommen werden. Und schließlich nimmt Hanloser Stellung zu der z. Z. weit verbreiteten Vorstellung, durch differenzierte sprachliche Kennungen von Identitäten, Diskriminierungen abzubauen.
#Identitätspolitik #Marxismus #Arbeiterklasse
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