EU-KORRUPTIONSSKANDAL: "Europäische Demokratie wird angegriffen!" - Verfahren gegen Eva Kaili
EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola wertet die mutmaßliche Bestechung ihrer Vertreterin Eva Kaili als Angriff auf die europäische Demokratie. «Das Europäische Parlament, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird angegriffen, die europäische Demokratie wird angegriffen, und unsere Art der offenen, freien, demokratischen Gesellschaften wird angegriffen», sagte Metsola am Montag in Straßburg. Zugleich kündigte sie an, dass das Verfahren zur Absetzung Kailis als Vizepräsidentin eingeleitet werde.
In Brüssel trieben die Ermittler ihre Arbeit unterdessen voran. Dabei durchsuchten sie am Montag auch Räume im EU-Parlament im Brüssel, wie die belgische Staatsanwaltschaft mitteilte. Es seien Daten von Computern von zehn parlamentarischen Mitarbeitern beschlagnahmt worden. Am Sonntag habe es zudem Razzien in Italien gegeben.
Insgesamt gab es den Angaben zufolge seit Beginn der Ermittlungen 20 Durchsuchungen - 19 in Büros und Wohnräumen sowie eine im Europaparlament selbst. Dabei wurden demnach 600 000 Euro bei einem Verdächtigen gefunden, mehrere Hunderttausend Euro in einem Koffer in einem Brüsseler Hotel sowie 150 000 Euro in der Wohnung eines EU-Abgeordneten, dessen Name nicht genannt wurde.
Metsola sprach angesichts der Enthüllungen von Wut, Zorn und Kummer, wegen der laufenden Ermittlungen müsse sie ihre Worte jedoch sorgsam wählen. Zu Beginn der letzten Plenarwoche des Jahres in Straßburg sagte sie am Montag: «Die Feinde der Demokratie, für die allein die Existenz dieses Parlaments eine Bedrohung darstellt, werden vor nichts Halt machen.» Die Malteserin sprach von «bösartigen Akteuren, die mit autokratischen Drittländern in Verbindung stehen». Diese hätten angeblich unter anderem Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften und Mitglieder des Parlaments als Waffe eingesetzt.
Die griechische Sozialdemokratin Kaili ist eine von sechs Verdächtigen, die in dem Korruptionsskandal seit Freitag von den belgischen Behörden festgenommen wurde. Vier davon kamen am Sonntag in Untersuchungshaft - darunter Informationen der Deutschen Presse-Agentur und anderer Medien zufolge auch Kaili selbst sowie ihr Lebenspartner. Die Staatsanwaltschaft wirft Kaili und den anderen Verdächtigen vor, Entscheidungen im Europaparlament im Sinne des Golfemirats Katar beeinflusst zu haben. Dafür sollen sie Gegenleistungen wie hohe Geldsummen oder Sachgeschenke kassiert haben. Derzeit wird etwa auf EU-Ebene in Erwägung gezogen, die Visa-Regeln für Staatsbürger von Katar zu erleichtern.
Kaili selbst geriet am Montag weiter unter Druck. In ihrer Heimat Griechenland ließ die Anti-Geldwäsche-Behörde alle Vermögenswerte der 44-Jährigen einfrieren. Zugleich wurde ihre Absetzung vorangetrieben. Von ihren Pflichten als Vize hatte Metsola sie bereits entbunden.
Außenministerin Annalena Baerbock sprach von einem «unglaublichen Vorfall». «Der muss jetzt ohne Wenn und Aber aufgeklärt werden mit der vollen Härte des Gesetzes.» EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen zeigte sich bestürzt: «Die Vorwürfe gegen die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments sind sehr schwerwiegend.» Metsola versicherte: «Es wird nicht unter den Teppich gekehrt.» Sie kündigte unter anderem eine interne Untersuchung, Reformen in Sachen Transparenz und den Schutz von Whistleblowern im Parlament an.
Mit Blick auf den Gaslieferanten Katar und andere autokratische Staaten schloss Metsola ihr Statement mit dem Satz: «Wir würden lieber frieren, als gekauft zu werden.»
Katar wies die Vorwürfe in dem Skandal dagegen entschieden zurück. Es sei haltlos, die Behauptungen darüber mit der Regierung in Doha in Verbindung zu bringen, teilte die EU-Vertretung in Brüssel mit.
Im Europaparlament wurde für Dienstag ein Treffen der sogenannten Konferenz der Präsidenten angesetzt - das sind neben Metsola die Vorsitzenden der Fraktionen. Sie sollen das Verfahren zur Absetzung der ehemaligen Fernsehmoderatorin Kaili als Parlamentsvize einleiten. Noch am Dienstag könnte dann das Plenum darüber abstimmen. Aus ihrer griechischen Pasok-Partei und der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament wurde sie bereits ausgeschlossen.
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