Schritt für Schritt soll Deutschland in den kommenden Wochen zum Coronatest-Land werden. Das sieht der Öffnungsplan von Bund und Ländern vor. Doch große Freiheiten sind vorerst nicht in Sicht.
Das Wattestäbchen wird im Frühjahr voraussichtlich für viele zu einem Pflichtutensil im deutschen Alltag. Bis Anfang April sollen alle Menschen in Deutschland regelmäßig Schnell- und Selbsttests machen können. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte vor den Abgeordneten ihrer Fraktion eine breite Teststrategie für April, Mai und Juni voraus. Erst mit mehr Impfungen soll das Testen dann wieder an Bedeutung verlieren. Nach dem vorläufigen Beschlussentwurf für die Bund-Länder-Spitzenrunde sollen Testen und Öffnen eng miteinander verwoben werden. Nicht in Sicht sind trotzdem allzu forsche Schritte aus dem Lockdown.
Zunächst soll es nach dem vorläufigen Entwurf generell nur zu weiteren Öffnungen von Buch- und Blumenläden und Gartenmärkten kommen. Sowie bei körpernahen Dienstleistungen sowie „Fahr- und Flugschulen“ mit Schnell- oder Selbsttest. Für den weiteren Einzelhandel, Museen und Hobbysport soll es erst ab einer stabilen Inzidenz unter 35 in einer Region oder einem Land wieder losgehen können. Bei steigenden Zahlen soll es wieder Verschärfungen geben. Dann aber, bei über zwei Wochen konstanter Inzidenz, sollen Restaurantterrassen, Theater, Konzerthäuser, Kinos öffnen können. Hier sollen obligatorische Schnell- oder Selbsttests ins Spiel kommen – und zwar wenn die Inzidenz zwar konstant bleibt, aber bei einem Wert oberhalb von 35. Als „Notbremse“ bezeichnet der vorläufige Entwurf eine Rückkehr zum Lockdown-Stand heute im Fall von wieder steigenden Werten in einer Region. Konkrete Schritte für Restaurants drinnen, Hotels und anderes nennen Bund und Länder den Überlegungen voraussichtlich noch nicht.
Alle Bürger sollen in Testzentren, Apotheken oder Praxen laut Konzept des Bundesgesundheitsministeriums zweimal wöchentlich kostenlos einen Antigen-Schnelltest machen lassen können. Der Beschlussentwurf für die Bund-und-Länder-Runde greift das so auch auf. Dazu kommen die Selbsttests, die man kaufen kann. Für Lehrkräfte und Schüler sind nach dem Entwurf für die Bund-Länder-Runde Schnelltests vorgesehen. Die Kultusminister der Länder übrigens wollen die Schüler noch nicht testen lassen – sondern erst „perspektivisch“. Und sie wollen, dass der Bund die Tests zahlt. Unternehmen könnten nach den Bund-Länder- Ideen zu Schnelltests für Mitarbeiter in Präsenz verpflichtet werden.
Bei Schnelltests führt geschultes Personal das Wattestäbchen tief in Rachen und Nase. Bei Selbsttest gibt es bisher drei zugelassene Produkte. Dauer bis zum Ergebnis: 15 Minuten.
Schon nach einigen Stunden sind Tests nicht mehr wirklich aussagekräftig. Bei frisch Infizierten schlagen sie nämlich erst mit Zeitverzug an. Und außerdem könnte man sich ja nach einem Test neu angesteckt haben. Während Getestete bei den Schnelltests das Ergebnis schriftlich bekommen, ist es bei den Selbsttests Vertrauenssache, ob man getestet ist. Denkbar ist laut Gesundheitsressort aber, dass ein Veranstalter solche Tests Besuchern unter Aufsicht abverlangt.
Elf Millionen Impfdosen sollen bis Ende der Woche geliefert sein. Die Astrazeneca-Dosen lagern aber zu hunderttausenden in den Kühlschränken der Impfzentren. Zunächst sollen nun also etwas verstärkt die niedergelassenen Ärzte einspringen – und ab April nach den Bund-Länder-Überlegungen generell. Sie sollen dann auch etwas weniger strikt nach Priorisierungsgruppen vorgehen müssen als dies in den Impfzentren der Fall sein soll. Wann die Zentren geschlossen werden, ist offen. Die Gesundheitsämter sollen beim Stoppen von Infektionsketten auch mehr Kontaktverfolgung in elektronischer Form machen können. Ein technisches Gateway soll erst geschaffen werden. Welches Land das betreibt, ist offen.
Einen kräftigen Dämpfer könnten noch in dieser Woche erwartete neue Zahlen bringen – zur Verbreitung der ansteckenderen und gesundheitlich gefährlicheren britischen Corona-Variante. Laut Merkel gehen auf sie schon rund die Hälfte der Infektionen zurück. Die Klinikärzte vom Marburger Bund warnen. Trifft die dritte Welle ungebremst auf Millionen noch ungeimpfte Jüngere mit höherem Krankheitsrisiko, landeten diese vermehrt auf Intensivstationen, wie Verbandschefin Susanne Johna sagte.
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