Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 3 d-Moll, gespielt vom WDR Sinfonieorchester unter der Leitung seines Chefdirigenten Cristian Măcelaru am 02.11.2024 in der Kölner Philharmonie. Es singen Sasha Cooke, die Damen des WDR Rundfunkchores und die Knaben und Mädchen der Kölner Dommusik.
Gustav Mahler - Sinfonie Nr. 3 d-Moll
00:00:00 I. Kräftig. Entschieden
00:36:18 II. Tempo di Menuetto. Sehr mäßig
00:46:54 III. Comodo. Scherzando
01:05:46 IV. Sehr langsam. Misterioso
01:15:06 V. Lustig im Tempo und keck im Ausdruck
01:19:19 VI. Langsam. Ruhevoll. Empfunden
Sasha Cooke, Mezzosopran
Knaben und Mädchen der Kölner Dommusik
Damen des WDR Rundfunkchores
WDR Sinfonieorchester
Cristian Măcelaru, Leitung
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Werkeinführung
»Die Symphonie muss sein wie die Welt. Sie muss alles umfassen.« Mit diesen Worten brachte Gustav Mahler sein Selbstverständnis als Komponist auf den Punkt. Musik, das war für ihn nicht einfach ein akustisches Phänomen, sondern der Spiegel allen Seins. In seiner zweiten Sinfonie hat er versucht, die bangen Existenzfragen des Menschen in Musik auszudrücken. In seiner Dritten hingegen stellt er die Frage nach dem menschlichen Leben innerhalb des Kosmos. Er selbst hat das konkret so formuliert: »Die höchsten Menschheitsfragen, die ich in der Zweiten stellte und zu beantworten suchte: Wozu sind wir? und: Werden wir sein auch über dieses Leben hinaus? – sie können mich hier nicht mehr bewegen. Denn was hat das im All zu bedeuten, wo alles lebt und leben muß und wird? Kann ein Geist, der den ewigen Schöpfungsgedanken der Gottheit in einer Symphonie wie dieser nachdenkt, sterben? Nein, die Zuversicht bekommt man: ewig und unvergänglich wohlgeborgen ist alles; […] und hier hat auch Menschenleid und -trübsal keinen Raum mehr.« Eine wahrlich herausfordernde Fragestellung. Die musikalische Antwort darauf konnte naturgemäß nicht kurz und bündig ausfallen, sondern detailreich, komplex, ja: ausufernd. Und so ist Mahlers Dritte die wohl längste Sinfonie in der klassisch-romantischen Tradition. Nicht zufällig hat sie sage und schreibe sechs Sätze. Als Mahler dieses weltumfassende Werk 1892 konzipierte und 1895/96 umsetzte, formulierte er für jeden Satz einen Titel. Diese inhaltliche Konkretisierung verwarf er jedoch schon bald wieder, weil er die Erfahrung gemacht hatte, dass sie dem direkten Zugang zur Musik sogar hinderlich sein konnte. Für das Erfassen dieser Sinfonie sind die Titel jedoch hilfreich. Denjenigen des ersten Satzes entnahm Mahler der griechischen Mythologie. Hintergrund ist die Vorstellung von Pan als Gott der Natur. In Mahlers Verständnis reichte Pans Macht allerdings über diese Bedeutung hinaus; er sah ihn als Metapher für das Weltall. Und so meint der Komponist mit dem ursprünglichen Titel des ersten Satzes, »Pan erwacht«, nicht nur das Sprießen der irdischen Natur, sondern die Materie an sich als Grundlage allen Lebens. Um dies im ersten Satz musikalisch auszudrücken, benötigt Mahler mehr als eine halbe Stunde. Im Hinblick auf die gewichtige Aussage könnte man diesen längsten Sinfoniesatz aller Zeiten sogar als überraschend kurz bezeichnen. Was Mahler in dessen weiterem Verlauf schildert, hat er überschrieben mit »Der Sommer marschiert ein (›Bacchuszug‹)«.
Auch für die übrigen Sätze hatte der Komponist Titel vorgesehen: Der zweite Satz, »Was mir die Blumen auf der Wiese erzählen«, ist eine ländliche Idylle. Für den dritten Satz, »Was mir die Thiere im Walde erzählen«, hat Mahler eines seiner Lieder »Aus des Knaben Wunderhorn« zugrunde gelegt, die humoristische Miniatur »Ablösung im Sommer«. Darin folgt das Singen und Springen der Nachtigall auf die Rufe des Kuckucks. Im vierten Satz hören wir, »Was mir der Mensch erzählt«. Der Mezzosopran trägt das Nachtwandlerlied »O Mensch! Gib acht!« aus Friedrich Nietzsches »Also sprach Zarathustra« vor. Darin heißt es: »Lust – tiefer noch als Herzeleid: Weh spricht: Vergeh!
Doch alle Lust will Ewigkeit«. Ein nachdenklicher, zugleich auch tröstlicher Gesang. Im fünften Satz erklingt »Was mir die Engel erzählen«. Die musikalische Grundlage ist hier Mahlers fröhliches, kindlich-naives Wunderhorn-Lied »Es sungen drei Engel einen süßen Gesang«. Der Kinderchor imitiert mit seinem »Bimm bamm« Kirchenglocken, während der Frauenchor unter anderem intoniert: »Mit Freuden es selig in dem Himmel klang«. Im letzten Satz schließlich setzt Mahler in Töne, »Was mir die Liebe erzählt«: ein breit strömender Musikfluss, mit dem der Komponist in mehreren Steigerungswellen eine allumfassende Liebe klanglich erfahrbar macht.
Erstmals erklang das Werk dann im Juni 1902 beim 38. Tonkünstlerfest in Krefeld. Nach den kontrovers aufgenommenen ersten beiden Sinfonien war der Jubel diesmal nahezu einhellig. Wie ein Kritiker festhielt: »Das war kein bloßes Feiern mehr, das war eine Huldigung.«
Text: Otto Hagedorn
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