STREIT BEIM EU-GIPFEL: Trotz Einigung zu Migrationsreform – Sturer Widerstand von Ungarn und Polen
Die EU-Staaten streiten erneut über die künftige Asylpolitik. Beim EU-Gipfel fordern Polen und Ungarn eine Abkehr von dem mühsamen Kompromiss, den die Innenminister vor knapp drei Wochen erreicht hatten. Doch Deutschland und andere Staaten hielten am ersten Gipfeltag dagegen. Die 27 Staats- und Regierungschefs gingen am frühen Freitagmorgen vorerst ohne die geplante gemeinsame Erklärung zum Thema Migration auseinander.
Am ersten Tag sei man zwar nicht zu einer Einigung gekommen, sagte Belgiens Premierminister Alexander De Croo. «Aber das Gute ist, dass alle gesagt haben, wir versuchen es morgen noch einmal.» Die Gespräche gehen am Freitagmorgen weiter. Am zweiten Gipfeltag soll es eigentlich um die China-Politik der EU gehen.
Im Asylstreit hatten die Innenminister Anfang Juni eine Mehrheitsentscheidung getroffen, die Polen und Ungarn nicht mittrugen. Diese sieht vor, dass die Aufnahme von Flüchtlingen künftig nicht mehr freiwillig, sondern verpflichtend sein soll. Länder, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen, würden zu Ausgleichszahlungen gezwungen.
Polen forderte nun, dass jedes EU-Land selbst darüber entscheiden sollte, wie es Länder mit besonders hohen Migrationszahlen unterstützt. Die Aufnahme von Schutzsuchenden sollte freiwillig sein, heißt es in einem polnischen Textvorschlag für die Gipfelerklärung, der der Deutschen Presse-Agentur vorlag.
Die polnische Regierung stellte sich zudem auf den Standpunkt, dass in der Migrationspolitik nach dem Konsensprinzip entschieden werden sollte, also nicht per Mehrheitsentscheidung. Auch Ungarn hatte vor dem Gipfel angekündigt, dass es sich an der geplanten Verteilung von Flüchtlingen in der EU nicht beteiligen und auch keine Ausgleichszahlungen leisten werde.
Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich zu Beginn des Gipfels unbeeindruckt von der polnischen und ungarischen Kritik. Der von den Innenministerinnen und Innenministern vereinbarte Solidaritätsmechanismus sei ein großer Durchbruch, sagte der SPD-Politiker.
Sollten sich die 27 Staats- und Regierungschefs nicht einigen, wäre das ein Eklat. Praktisch könnte aber das Gesetzgebungsverfahren weiter laufen. Der nächste Schritt sind Verhandlungen der EU-Staaten mit dem Europaparlament.
Einigkeit erzielten die Staats- und Regierungschefs am ersten Gipfeltag bei der Unterstützung der Ukraine. Sie wollen die Ukraine stärker bei Planungen für einen internationalen Friedensgipfel unterstützen, der nach Vorstellungen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in der Schweiz organisiert werden könnte. Und die EU bietet der Ukraine nach der Zerstörung des Kachowka-Staudamms weitere Hilfe an, zusätzlich zur bereits laufenden Katastrophenschutzhilfe.
Mit Sicherheitsgarantien für die Zeit nach Ende des russischen Angriffskriegs hält sich die EU aber zurück. In der Gipfelerklärung einigten sich die Staats- und Regierungschefs nur auf eine vage Absichtserklärung für «künftige Sicherheitszusagen». Grund für die zurückhaltende Wortwahl war die Haltung von Ländern wie Österreich, Irland und Malta. Sie wollen militärisch neutral bleiben und sind deswegen auch nicht Mitglied der Nato.
Zentrales Thema am Freitag soll eigentlich die China-Politik sein. Angesichts der mit Besorgnis betrachteten Entwicklung der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt will die EU wirtschaftliche Risiken und Abhängigkeiten verringern. In dem vorbereiteten Text für eine Erklärung zum Thema wird zugleich aber betont, dass man keine Abkopplung anstrebt.
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