"Eine Alpensinfonie" op. 64 von Richard Strauss spielte das WDR Sinfonieorchester unter der Leitung seines damaligen Chefdirigenten Semyon Bychkov im Dezember 2007 in der Kölner Philharmonie.
Historische Aufnahme aus dem WDR Klassik-Archiv.
Hans Hadulla, Regie
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○ Werkeinführung
»Strauss’ Alpensymphonie, das ist doch ein Mords-Hokuspokus! […] Lieber aufhängen, als jemals solche Musik schreiben.« So harsch formulierte seine Meinung 1917 der damalige
Konzertmeister des Frankfurter Opernorchesters: Paul Hindemith. Fast alle Zeitgenossen sahen in dem Werk »nur« eine reine Naturbeschreibung, erst fünfzig Jahre später begannen Forscher, unter der fulminanten Oberfläche weitere Schichten zu entdecken, durch die das Werk ganz andere Dimensionen gewinnt.
Für den sonst eher zügig komponierenden Richard Strauss war es ein hartes Ringen um dieses Werk: Schon 15 Jahre vor der Vollendung entstanden die ersten musikalischen Gedanken, allerdings plante er sie damals für eine sinfonische Dichtung mit dem Titel »Ein Künstlerleben«. Sie sollte die Biografie des Malers Karl Stauffer nachzeichnen, der sich nach einer verbotenen Liebesbeziehung in den Tod stürzte. Stauffer war, ebenso wie Strauss, ein begeisterter Bergsteiger, und so prägten NaturStimmungen schon dieses erste Konzept ganz wesentlich. Strauss sah in der tragischen Künstler-Biografie aber auch die Verkörperung eines Künstlers, der an den gesellschaftlichen Zwängen scheitert. Einen Ausweg aus dieser Enge meint er als Jünger Friedrich Nietzsches
vor allem durch die Überwindung des Christentums zu finden. Nietzsches Schrift »Der Antichrist. Fluch auf das Christentum« prägte Strauss’ Denken und Streben. Die Entwürfe zu seiner sinfonischen Dichtung bleiben einige Jahre liegen; erst als er vom Tod Gustav Mahlers erfährt, besinnt er sich wieder darauf. 1911 schreibt er in sein Tagebuch: »Ich will meine Alpensinfonie den Antichrist nennen, als da ist: sittliche Reinigung aus eigener Kraft, Befreiung durch die Arbeit,
Anbetung der ewigen herrlichen Natur.« Alle drei Forderungen werden nach Strauss’ Ansicht in einer Bergbesteigung vereint. So verknüpft die Alpensinfonie sein Andenken an gescheiterte Künstler, seine Liebe zur Natur und seine philosophischen Gedanken im Sinne Nietzsches. Als die Partitur vier Jahre später im Druck erscheint, entfernt er den philosophischen Hinweis jedoch im letzten
Moment.
Die Alpenbesteigung gliedert sich in 22 weitgehend symmetrisch angelegte Abschnitte, Scheitelpunkt ist erwartungsgemäß »Auf dem Gipfel«. Das Gewitter beschleunigt den Abstieg, die charakteristischen Passagen kehren in verdichteter Form wieder. Das ganze Werk durchzieht ein »Wandermotiv«, ein punktierter Schreitrhythmus, der auf Vogelgezwitscher, Kuhglocken, Dickicht, Wasserfall und Nebel trifft. Das Klanggemälde beansprucht fast 120 Musikerinnen und Musiker, teilweise mit Instrumenten aus dem Fundus der Theatermusik wie Windmaschine, Donnerblech oder Kuhglocken. Das volle Orchester kommt aber selten zum Einsatz, vielmehr nutzt Strauss das breite Instrumentarium, um mit großem Raffinement in unterschiedlichsten Besetzungen ganz neue Klangfarben zu mischen. Die effektvolle Wirkung war ihm wohl bewusst, denn einem jungen
Dirigenten schreibt er: »Viel Vergnügen zur Alpensinfonie, die ich auch besonders liebe. Sie ist […] von der hohen Intelligenz stets unterschätzt worden. Sie klingt allerdings auch zu gut!«
(Text: Judith Nüsser)
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