Im September 2016 waren wir zwei Wochen lang - ohne Ziel und wirklicher Ahnung von dem was wir machten, oder Vorstellung von dem was uns erwarten würde - im Iran unterwegs. Wir ließen uns treiben. Was folgte war Reizüberflutung pur. Im Verlauf unserer Reise ist dieser Film entstanden, an dem ich – mit diversen Unterbrechungen – die letzten zwei Jahre gearbeitet habe.
Als wir im Bekanntenkreis erzählt haben wo wir hinfahren wollen, stießen wir überwiegend auf Skepsis. Die Angst war groß. Der Iran weckt bei vielen Menschen negative Assoziierungen, die auch sicherlich ihre Berechtigung haben. Doch was wir erlebt haben, hat unglaublich stark mit den Bildern in unseren Köpfen gebrochen. Unser Film erzählt diese Geschichte und zeigt einen subjektiven Eindruck, von dem Iran, den wir erlebt haben.
Dass ich den Film heute veröffentliche ist kein Zufall. Morgen, am 05.11.2018, tritt die zweite Welle der US-Sanktionen gegen den Iran in Kraft - nach dem amerikanischen Austritt aus einem historischen Atomabkommen.
Laut US Präsident Donald Trump ist das Ziel einfach: Man möchte den Iran wieder zurück an den Verhandlungstisch zwingen. Ein neuer „Deal“ soll her. Der Alte war „schlecht… sehr schlecht“. Der Iran dürfe niemals in den Besitz einer Atombombe kommen und auch gegen iranische Mittelstreckenraketen müsse was unternommen werden. Aus diesem Grund kündigte Trump unilateral das international ratifizierte Atomabkommen, welches zu seiner Zeit, als kriegsverhindernd gefeiert wurde.
Betrachtet man die amerikanische Politik im Nahen und Mittleren Osten, wird es offensichtlich, dass Trump die Konfrontation mit dem Iran sucht. Sein Ziel: Das Gleichgewicht der Mächte in der Region endgültig zu verschieben. Saudi-Arabien und der Iran stehen in einem erbitterten Konkurrenzkampf, dessen Fronten sich am klarsten am Stellvertreterkrieg im Jemen festmachen lassen.
Mit der Hilfe amerikanischer Waffenexporte, in Höhe von 110 Milliarden US Dollar für ein einziges Rüstungspaket und weitere 340 Milliarden Dollar über den Verlauf der nächsten 10 Jahre - stellt sich Washington mit seiner vollen Macht hinter Riad. Zum Vergleich: Das Budget der Bundeswehr für Rüstungsinvestitionen im Jahr 2017 lag bei etwa 6.8 Milliarden US Dollar.
Beobachter sagen es sei das Ziel der Trump-Administration einen Regimewechsel herbeizuführen. Der Bevölkerungsdurchschnitt im Iran ist sehr jung und lag 2011 bei etwa 27 Jahren. Die wirtschaftliche Situation ist schlecht, die Arbeitslosigkeit seit Jahren hoch. Die Bevölkerung leidet. Flugzeugteile und Medizintechnik fehlen. Durch den amerikanischen Druck sind die Lebenserhaltungskosten stark gestiegen, während die iranische Führung gleichzeitig versucht ihre Macht in Syrien und im Jemen auszubauen. Der konservative Islam ist Staatsdoktrin. Sittenwächter setzen die Scharia durch: Alkohol, Drogen, außerehelicher Sex – alles streng verboten – Frauen dürfen nicht singen und Kopftuch tragen ist Pflicht. Dennoch, viele Iraner machen all diese Dinge trotzdem - hinter verschlossenen Türen.
Die junge Generation ist frustriert. Eine Riege alter Männer, schreibt ihnen vor, wie sie zu leben haben. Fast alle die wir trafen haben hinter vorgehaltener Hand gesagt, sie möchten Veränderungen. Auf der gesamten Reise hatten wir nur eine einzige Begegnung mit jungen Menschen, die sagten sie fänden das Regime gut.
Der letzte Rest an Leidensfähigkeit wird aus dem iranischen Volk herausgepresst. Fraglich bleibt aber, ob die Sanktion wirklich zu einem Umsturz führen. Vielleicht rücken die Iraner auch unter dem Druck zusammen.
Eine Sache ist sicher, das Volk wird leiden. Ab Montag bekommen sie keine Güter mehr aus dem Ausland. Der Staat kann kaum noch Öl und andere Rohstoffe exportieren. Jedem, der mit dem Iran Handel treibt, droht ein Gerichtsverfahren in den USA. Mit der Konsequenz völlig vom amerikanischen Markt ausgeschlossen zu werden. Ganz nach dem Motto: „Wenn du in den Iran verkaufst, kaufe ich nichts mehr von dir.“ Das kann sich kein Unternehmen leisten. Alles was Rang und Namen hat in der Weltwirtschaft, hat den Iran verlassen – Peugeot, Daimler, Total – um nur ein Paar zu nennen. Nur wenige werden ihren Platz einnehmen, diese kommen dann aus China und Russland.
Ich halte das amerikanische Ziel einen Regimewechsel im Iran zu provozieren für extrem gefährlich. Viel zu viele Länder im Nahen und Mittleren Osten sind schon im Chaos versunken. Der Iran, als Regionalmacht, bildet in seiner territorialen Integrität einen Stabilitätsanker, der von Syrien bis nach Afghanistan reicht. Ganz abgesehen von den politischen Implikationen, den humanitären Konsequenzen und möglichen Flüchtlingsströmen die folgen würden, wäre es eine kulturelle Tragödie für uns alle. Denn, auch wenn nicht alles schön ist im Iran, die Menschen mit ihrer Wärme und ihrer reichen Kultur sind etwas ganz Besonderes. Ganz anders als man denken würde, auch wenn sie in einem „Schurkenstaat“ leben. Das ist die Tragödie der großen Politik.
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